Offener Brief zur Gleichstellungsarbeit an der TUD

[pdf] Sehr geehrter Herr Prof. Müller-Steinhagen, sehr geehrter Herr Dr. Handschuh, sehr geehrte Prorektoren, unter für die Beschäftigten nicht transparenten Bedingungen hat die Universitätsleitung eine sog. „Strukturentscheidung“ getroffen, die in unseren Augen in die Rechte der Beschäftigten eingreift. Diese Entscheidung sieht vor, die Ämter der Gleichstellungs- und der Frauenbeauftragten der TUD – derzeit wahrgenommen von 2 Personen à je 50 Prozent der regulären Arbeitszeit – in einer Person zusammenzulegen. Dieser Schritt erzeugt u.E. einige Probleme und stellt eine weitere Einschränkung der demokratischen Mitbestimmungsrechte der Hochschulmitglieder dar. Er sollte deshalb überdacht werden. Wir fordern die Universitätsleitung auf: 1. das Prozedere offenzulegen, in dem die (nach unserer Kenntnis bereits feststehende) Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte 2016-20 bestellt wurde/wird:

  • Wieviele Vorschläge für die Bestellung des Amtes der Frauenbeauftragten sind im Rektorat eingegangen?
  • Wieviele verschiedene Kandidat*innen wurden vorgeschlagen?
  • Auf der Grundlage welcher Kriterien hat die Universitätsleitung ihre Entscheidung getroffen?

2. die weiblichen Beschäftigten der TUD über ihr Vorschlagsrecht für die Bestellung der zentralen Frauenbeauftragten (gemäß § 18 SächsFFG) zu informieren und diesen einen angemessenen Zeitraum für die Wahrnehmung dieses Rechts einzuräumen; 3. die Bestellung der Frauenbeauftragten um diesen Zeitraum zu verschieben; die Aufgaben der Frauenbeauftragten können solange kommissarisch von der amtierenden Frauenbeauftragten übernommen werden; 4. das Bestellungsverfahren in Zukunft für die Hochschulöffentlichkeit transparent durchzuführen und das Verfahren durch eine Verschriftlichung zu formalisieren. Begründung: Die Bestellung der Frauenbeauftragten / Wahl der Gleichstellungbeauftragten erfolgt mit unterschiedlicher Zielsetzung und belegt die bestellte  / gewählte Person mit unterschiedlichen Rechten. Auch die Bestellungsverfahren sind verschieden: Frauenbeauftragte werden auf Vorschlag aller (!) weiblichen Beschäftigten durch die Universitätsleitung bestellt; Gleichstellungsbeauftragte werden auf Fakultätsebene von den Hochschulmitgliedern und auf Universitätsebene von den dezentralen Gleichstellungsbeauftragten der Fakultäten gewählt. Unsere Forderungen 1 und 4 bezwecken bzgl. dieser durch gesetzliche Vorgaben klar formalisierten Verfahren Transparenz zu schaffen. Wir möchten wissen, wie es passieren konnte, dass beide Verfahren zufällig mit der Wahl derselben Person ausgingen. Da 2016 die Informationspflicht verletzt wurde (2012 wurden die Beschäftigten durch Rundschreiben sowie Anzeige im Universitätsjournal davon in Kenntnis gesetzt, dass sie das Recht haben, Vorschläge einzureichen), ist unklar, wer die Frauenbeauftragte vorgeschlagen hat. Das seit 1992 in der gleichen Ressourcenausstattung bestehende Referat Gleichstellung – bestehend aus der zentralen Frauen- und der Gleichstellungsbeauftragten – ist für mittlerweile 8400 Beschäftigte Ansprechpartner in allen Fragen der Gleichstellung von Mann und Frau. Entsprechend der Landesgesetzgebung und den unterschiedlichen und sehr umfangreichen Aufgaben der beiden Ämter werden diese seit 2004 von zwei Personen mit jeweils einer halben Stelle wahrgenommen. Seit 12 Jahren profitiert die TUD von der Effizienzrendite, die aus der Verteilung der Aufgaben auf zwei Personen resultiert. Der Personalrat fordert zudem schon seit langem die Aufstockung beider Stellen, um die anfallenden Aufgaben und die Vertretung einer steigenden Zahl von Beschäftigten ohne freiwillige Selbstausbeutung bewältigen zu können. Diese Forderung wird mit der Zusammenführung in eine 100%-Stelle obsolet und schafft Fakten, die so von den Beschäftigten der TUD nicht gewollt werden können. Daneben dürfte die Ausübung beider Ämter in einer Person zu Rechts- und Interessenkonflikten führen. Z.B. haben Frauenbeauftragte das Recht an Personalratssitzungen teilzunehmen, Gleichstellungsbeauftragte aber nur in besonderen Fällen. Ein letzter, aber entscheidender Grund: Weder Frauen- noch Gleichstellungsbeauftragte unterliegen der Weisungspflicht gegenüber der Dienststelle. Sie müssen weisungsfrei agieren können, um die Erfüllungskontrolle zur Durchsetzung des Gleichstellungsauftrages (s. a. Sächs. Verf.) ausüben zu können. Sie stellen damit ein wichtiges Korrektiv dar, um die Belange und Interessen von weiblichen Beschäftigten und in anderer Form strukturell benachteiligten Gruppen im Konfliktfall auch gegen hierarchisch übergeordnete Instanzen vertreten zu können. Zudem stehen hinter den vielfältigen weiteren Aufgaben der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten heterogene Konzepte und Zielvorstellungen und sehr verschiedene, durchaus umstrittene theoretische und praktische Vorstellungen, wie ihr gesellschaftlicher Auftrag genau bestimmt ist und wie er am besten erfüllt werden kann. Im Sinne einer angemessenen Repräsentation dieser Pluralität des Verständnisses der Frauen- und Gleichstellungsarbeit, für die es keine Patentrezepte gibt, halten wir eine Aufgabenteilung auch im Sinne möglicher produktiver Kontroversen und wechselseitiger ‚Check and Balance‘-Funktionen für wichtig. Generell erscheint uns die Entscheidung der Universitätsleitung als ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem zentralistischen Hochschulmanagement und der Schaffung von Hochschulstrukturen, die Mitbestimmungsrechte der Hochschulmitglieder ebenso aushöhlen wie sie die notwendige Austragung von Konflikten im Inneren der Organisation blockieren. Die Funktion der Frauen- und der Gleichstellungsbeauftragten sollte aus allen genannten Gründen nicht geschwächt werden zugunsten der zweifellos wichtigen Arbeit der Stabsstelle für Diversity-Management, die aber weisungsgebunden ist gegenüber einer durchweg männlich geprägten Universitätsleitung, die darüber hinaus ausschließlich aus ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern rekrutiert ist, sodass ihr Erfahrung und fachliche Kompetenz in Frauen- und Gleichstellungsfragen fehlt.

Mit freundlichen Grüßen
Anja Weber i.A.

Mittelbauinitiative Dresden (mid)
Referat Gleichstellungspolitik des StuRa
Dr. Iris Braun (Institut für Systemarchitektur)
Dipl.-Kffr. Cornelia Ernst (Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Wirtschaftswissenschaften)
Dr. Gabriele Faßauer (Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Wirtschaftswissenschaften) Dipl.-Soz. Mandy Glöckner (Projekt „Gendered University“/ Zukunftskonzept)
Anke Haake (Lehrzentrum Sprachen und Kulturen)
Prof. Dr. Maria Häusl (Institut für Katholische Theologie)
Prof. Dr. Stefan Horlacher (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Dr. des. Bettina Jansen (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Ulrike Kohn, M.A. (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Josephine Klingebeil-Schieke, M.A. (Institut für Romanistik)
Dr. Claudia König (Institut für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie)
Prof. Dr. Hildegard König (Institut für Katholische Theologie)
Dr. Nora Krzywinski (Projekt „Gendered University“/ Zukunftskonzept)
Dipl.-Soz. Sophie-Elisabeth Kühne (ZLSB)
Prof. Dr. Antonia Kupfer (Institut für Soziologie)
Christian Langhof (Institut für Waldwachstum und Forstliche Informatik)
Dr. Theresa Lempp (Projekt „Gendered University“/ Zukunftskonzept)
Prof. Dr. Gudrun Loster-Schneider (Professur für Neuere deutsche Literatur- und Kulturgeschichte)
Karin Luttmann (Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Dresden)
Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt (Uni Leipzig)
Dr. Volker Neumann (Institut für Halbleiter- und Mikrosystemtechnik)
Kathleen Paul (Professur für Beratung und soziale Beziehungen)
Sabine Pink (Frauenbeauftragte der SLUB)
Katrin Pittius (Fachhochschule Dresden)
Gelia Preuß (Gleichstellungsbeauftragte, ifw Dresden)
Hans Reuter (StuRa)
Dipl.-Päd. Pia Rohr (Inst. für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften)
Dr. Kirsten Sander (Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften)
Dipl. Ing. Kathrin Schmitz (Institut für Gebäudelehre und Entwerfen)
Prof. Dr. Susanne Schötz (Institut für Geschichte)
Dr. Wieland Schwanebeck (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Eva Stahlheber (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dresden)
Katharina Tampe, M.A. (Projekt „Gendered University“/ Zukunftskonzept)
Antonella Wermke (Fakultät SLK)
Dipl.-Psych. Eva Weinberger (Gleichstellungsbeauftragte der Fakultät Wirtschaftswissenschaften)
Anke Woschech, M.A. (Institut für Geschichte)

Weitere Unterstützungszusagen gehen immer noch ein. Wir werden diese Liste fortlaufend vervollständigen.

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